Computer halten ihre Bildungsversprechen nicht

Gerade wohlmeinende PädagogeInnen sind heute besonders gefährdet, einer wahren Kampagne für den frühen Einsatz elektronischer Medien aufzusitzen. Zumeist mit sich selbst beschäftigt und erschreckt über das zum Teil fehlende eigene technische Know-how bezüglich Computer und neuer Abrechnungssoftware etwa in Kindertagesstätten, übersehen viele, was sie eigentlich gut und fundiert über die Entwicklungsstufen der Kinder gelernt haben. Eltern und Pädagogen müssen heute ganz schön fit sein – auch am PC –, Medienbildung und die Manipulation der öffentlichen Meinung um nicht den Einflüsterungen der (Computer-)Industrie zu erliegen.

Marketing statt Bildung

Wirtschaft und Politik sind eine unheilige Allianz zur Propagierung von virtuellen Spielen eingegangen, die Kindern massiven Schaden zufügen. Man wirbt mit üblich gewordenen Slogans, mit „Bildungschancen“ und „Familienvergnügen“. Bewiesen ist bisher nur Folgendes: Bildschirmmedien reduzieren die Erfahrungswelt der Kinder, fördern Vereinzelung und erschweren den Erwerb von Kompetenzen wie Sprechen, Lesen und Schreiben. Darum ist eine dosierte (und möglichst späte) Einführung erforderlich. Tatsächlich gibt es eine signifikante Korrelation zwischen intensiver Computernutzung und Schulversagen. Das schnelle Belohnen der PC-Spieler reduziert zudem die Frustrationstoleranz, also Ausdauer und Durchhalten, die man für ein erfolgreiches Lernen benötigt. Die Verfügbarkeit von Computern zu Hause und deren zu frühe Nutzung in der Schule gehen statistisch nicht mit besseren, sondern mit schlechteren Schülerleistungen in den PISA-Basiskompetenzen einher, so eine Studie des Ifo-Instituts 2005. Sie verringern die Chance auf eine Gymnasial-Empfehlung und fördern aggressives Verhalten sowie Vergesslichkeit. Das hört man selten und normalerweise auch nicht ohne Relativierung. Und dies hat vor allem mit Werbestrategien zu tun, die tolle Lerneffekte versprechen und allein dazu da sind, den Konsum zu fördern.

Die US-Federal Trade Commission hatte bereits im Jahre 2000 auf die aggressiven Werbemethoden der Unterhaltungsindustrie hingewiesen. Deren Ziel ist es schlicht, den Verkauf von Medienprodukten zu fördern. Microsoft als marktführender Softwarelieferant ist gleichzeitig auch Sponsor. Das Unternehmen initiiert Kampagnen wie Schulen ans Netz, die für die Computerisierung der Schulen und eine nachhaltige Markenbindung sorgen, oder wirbt erfolgreich mit „Bildungsangeboten“ wie etwa Schlaumäuse, einem Computerprogramm, das angeblich die Sprachkompetenz der Kleinsten bereits im Kindergarten fördern soll. Wissenschaftlich bewiesen ist das Gegenteil, nämlich dass die Sprachkompetenz der Erstklässler kontinuierlich sinkt. Egal! Nach allen Regeln der PR werden „Schlaumäusekindergärten“ geehrt, „Gigamäuse“ gekürt und „Innovationspreise“ vergeben und „Schulen ans Netz“ gefordert.

(aus Kapitel 1 von Schiffer, Sabine (2013): Medien und Bildung.)