Was können Eltern und Großeltern, Lehrer und Erzieher tun, um Ihre Schützlinge zu selbstverantwortlichen Mediennutzern zu erziehen? Sabine Schiffer erklärt Schritt für Schritt, wie man die Jugend konstruktiv begleiten und vor den Gefahren schützen kann.
Titel: Bildung und Medien
Autorin: Sabine Schiffer
Was Eltern und Pädagogen wissen müssen.
schwarz-weiß.
HWK Verlag
April 2013 – kartoniert – 203 Seiten
Preiss: 19,80€ inkl. MWST.
Verkauf: Institut für Medienverantwortung info(at)medienverantwortung.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Medienbildung und die Manipulation der öffentlichen Meinung
- Was hat Medienbildung mit Verkehrserziehung zu tun?
- Computer halten ihre Bildungsversprechen nicht – Marketing statt Bildung
- Geldfluss und Forschungsergebnis
- Marketing-Strategien: von Defiziten, Ängsten und Bildungshoffnungen
- Bildung und Profit: Beratungsangebote und ihre interessierten Macher
- Enge Verzahnung zwischen Industrie und Politik: In der EU ist das Prinzip
- Enquête: eine unglückliche Verquickung mit gravierenden Folgen
- Exkurs: Leserbrief zur Beurteilung des Enquête-Zwischenberichts
- Bayerische Landesregierung initiiert Medienführerschein – zu welchem Zweck?
- Exkurs: kindgerechte Angebote?
- Soweit, so schlecht – und nun?
2 Kindsentwicklung als Leitfaden für die Medienerziehung
- Grundwissen Medien und Wahrnehmungsentwicklung bei Kindern
- Bilderbücher und Bilderfluten
- Kinder sehen anders oder: warum das Fernsehen ein unterschätztes Medium ist
- Falsche Ratgeber
- Frühfernsehen und die pädiatrische Forschung
- Mediensucht – ein zunehmendes Problem
- Mediengewalt – Bilderfluten und Gewaltorgien
- Reifeprozesse fördern, nicht Ausgeliefertsein
- Anleitung zur schrittweisen Aneignung der Welt
- Selbst ist die Familie
- Die Ungeduld der sog. Leistungsgesellschaft
3 Praktikables für den Alltag und Wichtiges, das Sie wissen müssen
- Echte Medienkompetenz – zuerst für Erwachsene, z. B. Ministeriumsmitarbeiter
- Was erwartet Sie hier?
- Ratgeber Medienbildung
- Medien im Markt
- BILD dir keine Meinung!
- Zeitung und Zeitschriften – aus den Augen, aus dem Sinn
- Das System Wiki und das Produkt Wikipedia
- Mapping Internet Communication – not only
- Die fünfte Gewalt
- Astroturfing oder: „Wer nichts weiß – muss alles glauben“
- Piraten und Netzpolitik
- Von Datensammlern und Profilern oder: Wie frei ist das Internet?
- Hausaufgaben und Lernen am Computer? Wenn’s was Gescheites ist
- Eine Webbiografie als Erbe: das Gedächtnis des Internet
- „Digitale Demenz“
- Cybermobbing
- Virtual Games and Goods und andere unliebsame Internetgeschäfte
- YouTube-Tutorials – die muss man einfach lieben
- Suchmaschine und Algorithmus
- Mediensucht
- Auch Fernsehen muss gelernt sein – im Unterricht oder sonst wo
- Erste Bücher, erste Klischees
- Welche Märchen brauchen Kinder?
- Mediensprache
- Anordnungsfragen oder: wie man Skandale nennt und versteckt
- Handy
- Mediengewalt
- Exkurs: Jugendmedienschutz
- Video statt TV
- Wir brauchen einen Lehrplan Medienbildung
- Grundüberlegungen zum Umgang mit Kindern
- Fazit
- Zum Schluss (m)ein Outing
Leseprobe Bildung und Medien
Medienerziehung beginnt lange vor dem Einsatz erster Medien und spätestens mit der Wahl des ersten Bilderbuchs. Das wird heute oft vergessen, wenn von Medienpädagogik oder Medienbildung gesprochen wird. Vor allem aber kann man davon ausgehen dass, wenn von Medienkompetenz die Rede ist, in den meisten Fällen nur noch an Medieneinsatz gedacht wird und technische Fähigkeiten gemeint sind. Das ist viel zu wenig einerseits und selbstverständlich andererseits. Zu einer umfassenden Medienbildung gehört viel mehr als nur Geräte- oder Softwarewissen. Wenn man nämlich zu früh auf die technischen Varianten setzt, wird die umfassende (Medien-)Bildung eher behindert statt gefördert – wie inzwischen vorliegende Langzeituntersuchungen nachweisen.
Im Interesse der Medienindustrie ist es aber, Medientechnik zu verkaufen. Und so wird nicht wenig Geld in Werbung für eine Medienpädagogik gesteckt, die nur darum das Paradies auf Erden versprechen kann, weil sie bisher nicht überprüft wurde. Gehen wir also von den Fakten aus, anstatt auf Heilsbotschaften einer interessierten und finanzstarken Lobby zu vertrauen, die nicht wenige „Wissenschaftler“ für sich sprechen lässt. Dass viel Geld für deren Forschung aus der IT-Branche selbst stammt, erklärt die einseitige Ausrichtung vieler medienpädagogischer Angebote.
Wer aber kann sich der Suggestionskraft von Schlagwörtern wie „Bildungspolitik“, „Bildungschancen“, „Medienbildung“, „Medienpädagogik“, „Medienkompetenz“, „social networks“ und dergleichen entziehen und dem (Bildungs-)Medium Computer nicht all die schönen Dinge, die ihm nachgesagt werden, auch zutrauen? Fast täglich werden wir über neue Projekte und Anwendungsbereiche betreffend einer „Bildungslösung“ informiert, ermöglicht allein durch das Medium an sich.
Medien sind aber unschuldig, sie sind weder Heilsbringer am Bildungshimmel noch das Gegenteil. So gibt es durchaus gute Lernsoftware. Nur machen wir immer wieder die Erfahrung, dass diese oft viel zu früh eingesetzt werden und lediglich dem Einstieg in die Computer-Welt dient – und viele Schüler dann doch bei zeitraubenden oder anders kontraproduktiven PC-Aktivitäten landen. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass die angepriesenen Konzepte zur Förderung von Medienkompetenz nicht das halten, was sie versprechen – sie führen nämlich nicht automatisch dazu, dass Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene das unterlassen, was schädlich für sie ist und Medien ausschließlich im angekündigten Sinne nutzen.
Da der Gebrauch jedoch mit über die Bildung, die Zukunft unserer Kinder und schließlich auch die der Gesellschaft entscheidet, ist es dringend an der Zeit, eine ehrliche Debatte über die teilweise gut gemeinte, teilweise fahrlässig oder bewusst falsch vermittelte Medienpädagogik zu führen. Denn (medien-)kritische Bürger sind wichtig für ein demokratisches Gemeinwesen. Und da kommt es ebenso auf das Hinterfragen von Meinungsbildungsprozessen und deren Dekonstruktion an, wie darauf, eine Powerpoint-Präsentation erstellen zu können. Letzteres ist die einfachere Übung und schnell zu erlernen. Ersteres steht momentan nicht auf dem Programm bei Medienführerscheinen und den meisten medienpädagogischen Initiativen, ist aber der wichtigere Part.
Mit diesem Buch soll die Debatte ein seriöses Unterfutter erhalten, welches allein der Wissenschaft und der Praxiserfahrung geschuldet ist und nicht Brancheninteressen bedient. Das heißt nicht, dass sich nicht das ein oder andere Beratungsangebot als sinnvoll für die Medienbildung erweisen kann – aber genau das gilt es zu prüfen und nicht lediglich zu behaupten. Bildung, Medienbildung, die Kindsentwicklung und das Lebensgefühl sowie die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft sind zu wichtig, als dass man sie Wunschträumen und Mythen anheim geben könnte. Wir brauchen praktikable Konzepte für die Familien zu Hause, ein Navigationssystem für Multiplikatoren wie Pädagogen und Kinderärzte, sowie einen systematischen Lehrplan zur Medienbildung an Schulen und evaluiertes didaktisches Material.
In drei Schritten werden wir uns der Thematik nähern. Im ersten Teil des Buches wird die Verflechtung der IT-Industrie mit Bildungsinstitutionen und Entscheidungsträgern aufgezeigt sowie gleichzeitig vorgeführt, wie man Angebote auf ihre Unabhängigkeit hin prüfen kann – ein wichtiger Faktor in Bezug auf die Seriosität. Das zweite Kapitel wird das Kernstück des Buches sein und die Kindsentwicklung in den Mittelpunkt stellen. Das zusammengetragene Grundwissen über Entwicklungsprozesse, das mittels moderner Bildgebungsverfahren in der Neurologie überprüft werden kann, hilft jenseits von Spekulationen, die Schritte einer konstruktiven Medienerziehung zum Bedarf bei Kindern in jeder Phase in Bezug zu setzen. Schließlich wird ein Praxisteil das Buch abrunden, wo sowohl Material für Pädagogen als auch wichtige Hinweise und Tipps für die Familien zum selbstbestimmten Umgang mit (und ohne) alte und neue Medien gegeben werden. Und schließlich beginnen wir eine Übersicht über alle zum Thema gehörenden Aspekte zu erstellen, die es ermöglichen soll, fehlende medienpädagogische Konzepte im Sinne einer umfassenden Medienbildung zu entwickeln, und die nach Erscheinen des Buches als Blog weiter geführt wird.
Wir wollen damit ein Angebot zur Ermutigung von Multiplikatoren – Erziehenden, Pädagogen, Kinderärzten, Logopäden – schaffen, die mit dieser Thematik konfrontiert sind und gezwungen werden, diese Sache im Sinne der nächsten Generation in die Hand zu nehmen. Die Ermutigung wird darin bestehen, dass geprüfte und sachdienliche Informationen zur Verfügung gestellt werden, die Bewusstseinsprozesse über die Zusammenhänge und die Aufgabe ermöglichen. Es bleibt dann in der eigenen Verantwortung, wie im konkreten eigenen Alltag damit umgegangen werden kann. Dieser muss bewältigt werden, auch wenn es berechtigte Forderungen gegenüber den (ökonomisch und politisch) Verantwortlichen für die teilweise desaströse Entwicklung gibt.